Nach zweimal 8. Liga heute also Bundesliga. Mittags drehte ich noch eine Runde durch das Zentrum. An der Grazer Burg in der Altstadt und am Hauptplatz mit dem Rathaus vorbei, ging ich nochmal Schnitzel essen, um am frühen Abend mit der Straßenbahn in den Stadtbezirk Liebenau zu fahren. Dort steht das Stadion des SK Sturm Graz. Tabellarisch ging es für die Linzer um mehr als für den SK Sturm. Diese standen im Grunddurchgang auf Platz eins, waren somit für die Meisterrunde qualifiziert. Jene war das Ziel Athletiker. Um die Teilnahme daran duellierten sie sich im Fernduell mit ihren Stadtrivalen Blau-Weiß Linz. So riefen die Oberösterreicher auch dazu auf zahlreich in die Steiermark zu fahren. Ich verpeilte ein wenig den Kartenvorkauf und musste mir so ein Ticket in der ersten Reihe mit dem Hinweis einer Sichteinschränkung kaufen. Dafür saß ich in guter Hörweite des Gästeblockes. Mit einem Puntigamer ausgestattet Platz genommen und erstmal den Gästen beim Einsingen zu gehört. Die einzelnen Gruppenzaunfahnen hingen bereits. Zu Hause positioniert man sich hinter der vereinnahmenden großen Landstrassler Zaunfahne. Heute, aber eigentlich immer bei Auswärtsspielen, hingen die Gruppenfahnen. Wie der Linzer Jungs, Linz City Group, Viking Linz, Commando Urfahr, Südachse und Linzer Supporters. Ich setzte mich zum Anpfiff nochmals um. Einige Reihen weiter oben waren doch Plätze frei geblieben. Da es zum Anpfiff beiderseits keine optischen Aktionen gab, konnte ich mich auf den akustischen Part konzentrieren bzw. auf meinen neuen Sitznachbar. Ich taufte ihn gedanklich den Grantler, wegen dem Nörgeln und Meckern über das Spiel der Sturmelf. Ich weiß nicht, was die Kicker auf dem Rasen, wohlgemerkt sie waren Tabellenführer, noch machen müssten, dass der Mal zufrieden ist. Der Meckerte über alles und jeden. Naja. Dass er das 1:0 in der 31. Minute verpasste, da er Bier holen war, war dann aber genau mein Humor. Dadurch das ich sehr nah am Gästeblock saß, verschluckten sich die Gesänge beider Kurven ein wenig. Graz war laut, keine Frage, nach den Toren wurde sowieso noch eine Schippe drauf gelegt, aber Linz machte ebenfalls Ballett. So neutralisierten sie sich für mich. Der Spielverlauf, gab in der zweiten Hälfte aber dann beiden Fangruppen die Gelegenheit temporär mal die Oberhand zu gewinnen. Dass die große Landstrassler Schwenkfahne in der Mitte des Gästeblockes wehte, war wohl nicht nur deren Größe geschuldet. Landstrassler ist ein Überbegriff für alle Fangruppe des LASK. Gegründet 2014. Die führenden Gruppen bei den Schwarzweißen, waren oder sind das Kollektiv Linzer Jungs, gegründet 2011, die Linz City Group, gegründet 2014 und eher sportlich unterwegs, Viking Linz, Boys Lentia oder das Commando Urfahr, ältere Haudegen, teilweise über 50 Jahre, aber ihr Wort hat Gewicht. Die LASK-Fanszene war früher wenig strukturiert, wenn man es vorsichtig ausdrücken möchte. Viel Suff, keine organisierte Stimmung, geschweige denn Choreografien. Einige Motivierte setzten sich zusammen und riefen deswegen die Übergruppierung Landstrassler ins Leben. Die einzelnen Gruppen wurden hinten angestellt und der Zusammenschluss nahm Fahrt auf. Es klingt paradox, aber den Stadionwechsel nach Pasching (ein Ort 10km von Linz entfernt) ihre eigentliche Heimspielstätte, der Gugl, wurde aus Kostengründen in der Saison 2013/14 verlassen, brachte der Fanszene den Vorteil eine kleine 1000 Mann Tribüne zu bekommen. Auf welcher die Stimmung, auch durch die Erfolge des Vereins (internationale Wettbewerbe) sehr gut war. Nachdem der Gugl renoviert war und der Verein 2023 dorthin zurückkehrte, konnte die Fanszene im wahrsten Sinne, die Früchte ihrer Arbeit ernten. Die Landstrassler haben sich zu einer respektablen Szene entwickelt. Ich war auf ihrem Auftritt heute bei Sturm auch dementsprechend gespannt. In ihrer Außendarstellung orientieren sie sich Richtung Balkan, dies beziehen sie darauf, dass alle Gruppe hinter einer vereinenden Zaunfahne stehen, wie z.B. die Bad Blue Boys oder die Horde Zla und die einzelnen Gruppen teilweise in den Hintergrund rücken. Auch von ihren Freunden aus Bern haben sie sich einiges an- bzw. abgeschaut, wie sie selbst im großen 10 Jahre Landstrassler-Interview im Fanzine -Athleticker #8- schreiben.
Sichtbar waren bei beiden heute keine Freunde. Da sie auch teilweise zeitgleich spielten. Die Sturm-Fanszene hat einige Freundschaften. Die Brigata Graz und die Jewels sind mit den Phönix Sons, Rheinfire und der Armata vom KSC befreundet. Die Grazer Sturmflut 96 hat ihrerseits mit Infamous Youth, L’intesa verde und auch mit dem UTB von Werder Bremen eine Freundschaft. Wie ich das in diversen Fanzines heraus lese, gehen sich Karlsruhe und Bremen aber bei Besuchen in Graz weitestgehend aus dem Weg.
Die Freundschaft nach Pisa und nach Carrarese sind beide gruppenübergreifende Bündnisse, welche von der gesamten Grazer Fanszene getragen werden. Der Anfang der Kontakte zu den Pisani war 1999, wie so oft bei einen besuchten Spiel. Die Freundschaft zu Carrarese Calcio entstand dann über Pisa. Weiter bestehen noch Kontakte zu den Bukaneros von Rayo Vallecano aus Madrid, welche auch schon beim Pokalfinale des SK Sturm gegen Rapid Wien anwesend waren.
Die Landstrassler pflegen ihrerseits eine Freundschaft zu den Schwarzgelben aus Bern. Diese gibt es eigentlich schon seit den 90er Jahren, zwischenzeitlich ist sie etwas eingeschlafen, aber mit der Gründung der Landstrassler neu aufgelebt. Zum ersten Mal hing ein „Fetzn“ der Berner am 1.Mai 2015 beim LASK. Zu dieser Zeit bestand auch eine Freundschaft zwischen den Riots 1908 eine Gruppe vom LASK und den Ultras Bregenz. Hier ist interessant, diese basierte auch viel auf den gleichen politischen Ansichten. Doch große Teile der Landstrassler konnten damit nichts anfangen, Bern kam mit ihnen auch nicht klar und so wurde dieses Kapitel beendet.
Als ich mir die Fankurve von Sturm Graz anschaute, klar man kennt sie von Bildern und Videos, kam mir der Gedanke, sie hat schon einen verdammt coolen Zaun. Mittig die führende Brigata, links daneben Jewels Sturm, Bastion Nord und ganz außen die Gruabn-Veteranen. Rechts der Brigata hängt die klasse Fahne der Grazer Sturmflut. Schon alleine der Gruppenname ist cool. Im Erlebnis Fussball #82 standen sie in einen großen Interview Rede und Antwort. Zu ihren Namen äußerten sie sich dort wie folgt -Der Name Grazer Sturmflut vereint alles was der Gruppe wichtig ist. Der Name der Stadt ist enthalten, der Name des Vereins und die Sturmflut welche alles überschwappt, was mit dem SK Sturm zu tun hat-. Weiter die Generation Chaos, Schwarze Szene Wien und außen Schwarz-Weißer-Süden (SWS). Vereinen tun sich die Schwoaze unter dem Kollektiv 1909. Dies ist einerseits ein Verein über welchen die Fanszene z.B. Feste organisiert oder fanorganisatorische Veranstaltungen anmeldet und andererseits ist es der Name der Webpräsenz auf welcher die aktive Fanszene Öffentlichkeitsarbeit betreibt.
Zu Beginn der zweiten Hälfte zeigten die Landstrassler eine größere Pryoshow und fackelten in der restlichen Spielzeit ungezwungen immer mal wieder etwas ab. Trotz langer Spielunterbrechung, wegen des Rauches, zuckte das restliche Publikum nicht. Kein Gebuhe, kein Palaver. Österreich. Im Laufe der zweiten Hälfte zeigten die LASKla die Zaunfahne -DRESSEN NUR IN DEN FARBEN – DIE UNS DIE GRÜNDERVÄTER GABEN- Sie gehört zur Initiative Schwarz-Weiss und wie die Zaunfahne verrät geht es um die Klubfarben. Dort geht es auch um den Kampf der LASKla gegen die rosafarbenen Ausweichtrikots der Marketingabteilung. Die Landstrassler hängten jedes Mal, wenn die rosa Trikots getragen wurden die Zaunfahne auf. Doch etwas kreatives ließen sie sich beim Auswärtsspiel bei Sturm, am 07. April 2024, einfallen. Ihr Sponsor ist die Firma BWT, Best Water Technology, so wurde die Aktion Best Wäsch Technology ins Leben gerufen. Nach dem Anpfiff wurde die obligatorische 19:08 – minütige Blocksperre durchgeführt, um danach eine auf Doppelhaltern gemalte Waschmaschine im Block zu präsentieren. Aus derer nachdem darin symbolisch die rosa Trikots gewaschen wurden, neue schwarzrote Ausweichtrikots heraus kamen. Detailverliebte konnten auch erkennen, dass der Waschgang auf SCHEISS ROSA eingestellt war. Die Trikots wurden dann gut erkennbar an einer Wäscheleine im Block zum Trocknen aufgehangen. Um die Aktion öffentlichkeitswirksam durchzuführen, wurden noch eine ganze Menge Waschtabs auf den Rasen geworfen. Also Spielunterbrechung, was volle Aufmerksamkeit bedeutete. Ziel erreicht, würde ich sagen. Das Thema wurde demzufolge von der Presse aufgegriffen. Ganz zum Tagesmotto wurden abends am heimischen Stadion noch drei Waschmaschinen abgestellt und das Spruchband mit der Message -Siggi wasch dein Gewissen rein, Tradition vor Euroschein- angebracht.
Und was denkt ihr, was macht der Verein? Gesprächsangebote, die Trikotfarbe ändern…. Nein, nein Hausverbote für sechs LASKla. Es wurde sogar versucht bundesweite Stadionverbote zu beantragen. Wurde aber nichts. Die sechs Betroffenen waren fünf Vereinsvertreter der Landstrassler und der Sprecher der Initiative Schwarz-Weiss. Der Vorwurf, sie hätten die Tabs geworfen und die Waschmaschinen abgestellt. Nachweisen konnte man selbstredend keinen etwas. Bei einer Person wäre es auch ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, diese war wegen einem Auslandsemester gar nicht vor Ort. Eine Pressemitteilung die nach hinten losgehen sollte verfassten die Vereinsverantwortlichen ebenfalls. Die geworfenen Waschtabs hätten Familien gefährdet. Hui, da musste auch erstmal drauf kommen. Doch die LASK-Familie hielt zusammen und reagierte mit Stimmungsboykott -Unbefristeter Stimmungsverzicht = Wegen Unbefristeter Hausverbote-
Die schwarze weisse Fanszene setzte sich zusammen und gab geschlossen, mit über 30 Fanclubs, eine eigene Stellungnahme heraus. Von anderen Fankurven erhielt man ebenfalls per Spruchbänder Solidarität z.B. von Sturm Graz, Admira, Austria Salzburg und selbstverständlich aus Bern. Die Vereinsoberen gaben nach zwei Spielen schon klein bei. Die Hausverbote wurden aufgehoben und man trifft sich zu regelmäßigen Gesprächen. Bedingung es sollte auf Spielunterbrechung wie in Graz verzichtet werden. Da diese Aktion der Fanszene ohnehin nur durch die fehlenden Gesprächsbereitschaft des Vereins zu tragen kam, konnte man am Ende dem Kompromiss zu stimmen. So besteht durch den Dialog die Chance, dass die Faninteressen bald erhört werden und die Farbe rosa aus den Trikotkoffer verschwindet. Ich denke die Landstrassler präsentieren diese Zaunfahne regelmäßig um das Thema in der Öffentlichkeit zu halten. Weiter wurden die rosa Trikots oft bei Auswärtsspielen bei Sturm getragen. Beide dribbeln ja in schwarz weiss auf.
Das Spiel war richtig spannend, vor allem für mich als neutralen Gast. Der Grantler neben wir blubberte zwar weiter vor sich hin, seine Kumpels wollten ihn logischerweise immer zum Bier holen schicken, trotzdem, ich war zufrieden. Ein interessantes 4:2. Sturm führt lange 2:0, kassierte dann eine rote Karte, worauf Linz verkürzen konnte, der Gästeblock schöpft auch gleich Hoffnung, doch Sturm legte nach 3:1. Wer dachte das war es nun irrte sich. LASK verkürzte zwei Minuten später erneut. Dann gab es eine mehr als sechsminütige Nachspielzeit, bei der Pyroeinlage im Gästeblock wurde auch gut das Spielfeld eingenebelt. In der 96. Minute spielte Sturm wie ein Tabellenführer und klärte mit dem 4:2 endgültig die Verhältnisse. So mussten die Athletiker doch ihren Stadtrivalen Blau-Weiß Linz vorbei ziehen lassen. Bei dem ganzen Tohuwabohu auf dem Feld bemerkte ich, auch in Österreichs Stadien werden die Gästeblöcke mit Graffitis verschönert. Ein paar Landstrassler malten während der zweiten Halbzeit ein Ultra ASK an die Rückwand des Blockes.
So lief ich gemütlich mit aufgespannten Regenschirm vom Bezirk Liebenau zurück Richtung Jakomini. War ja nicht weit. Kurz noch ein Döner und Baklava geholt, ging es ins Apartment. Schöner kleiner Wochenendausflug nach Graz. Trotz der Spielabsage in der Gruabn, war ich dann doch damit zufrieden.
(Der Kulturbeauftragte)

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