Abpfiff, Toilette und raus. Manchmal nervt der Fußballkram. Man treibt sich aber auch immer selbst. Die Mademoiselle machte alles tapfer mit. Ich hatte sie schon vorgewarnt, dass die ersten Tage mehr für Fussball als für Kultur genutzt werden. Ohne Internet war es gar nicht so simpel zum zweiten Spiel des heutigen Tages zu kommen. Der erste Bus war noch easy. Der Zweite aber schon nicht mehr. Er kam nämlich nicht. So switchten wir auf die Straßenbahn um und fuhren schon mal in die richtige Richtung. Als wir dann wieder aussteigen mussten, kam aber erneut kein passender Bus und ohne Internet wollten wir hier nicht mehr herumexperimentieren und winkten ein Taxi ran. Mit 150 Lira weniger im Reise-Portemonnaie kamen wir pünktlich am Beyoğlu Stadı an. Ach herrje, was für eine Anlage erwartete uns hier. Es gab echt viel Zaun. Ich habe ja schon einige verbaute Sportplätze gesehen, aber das hier war speziell. Wie kann man denn das komplette Publikum und die Mannschaften dermaßen trennen. Sah echt traurig aus. Ein netter älterer Herr sprach uns gleich zu Beginn auf Englisch an und erklärte uns, dass sein Sohn der Abwehrchef der Gästemannschaft wäre. Soweit so gut. Das Spiel ging aber mit 5:0 an die Hausherren und der Abwehrchef hatte seinen Laden wohl nicht gut im Griff. Na gut hier spielte immerhin der Tabellenführer gegen den Tabellenletzten. Der gute Mann, mit welchen wir uns unterhielten, war verwundert, warum wir eigentlich hier sind. Im Gespräch nahm er erstaunt zur Kenntnis, dass ich wusste das Üsküdar Anadolu aus dem asiatischen Teil Istanbuls stammt. Ich fragte ihn dann süffisant, welchen Platz denn das Team in der Tabelle belegte, er sagte grinsend, sie wären weit unten im Ranking. Lachend meinte ich nur, ja dass weiß ich ebenfalls. Da musste er dann doch feiern. Guter Mann. Fotos machen konnte ich hier eigentlich vergessen. Ok, Fotos durch den Zaun, wären kein Problem gewesen. Aber wir konnten zum Glück ein wenig herumstreunern und vom Nachbargrundstück aus konnte ich ein paar Bilder von der Tribüne machen. Die Mademoiselle meinte, als ich wegen des Zaunes öfters rumhaderte, man kann halt nicht alles haben. Als ob mich Sachlichkeit jetzt beruhigt. Wegen sowas hier, hetze ich in Istanbul mit Bus, Straßenbahn und Taxi durch die Gegend. So langsam hinterfrage ich sowas ja. Aber am Ende hocke ich dann doch wieder vor den Spielplänen im Netz und klicke mich von Pontius zu Pilatus. Wie schon mal angedeutet, auf Facebook wirbt der grün-weiße Gast mit Pyrobildern und Zaunfahnen seiner Anhänger. So hatte ich eine kleine Hoffnung, dass ein paar Fans mit über den Bosporus auf die europäische Seite machen. Dem war aber nicht so und der separate Gästeblock blieb heute leer. Nach drei Çay für mich ging es für uns dann per Bus und ohne Umstieg zum Abendessen Richtung Goldenes Horn. Mein Urfa-Kebab konnte was und wir liefen den Weg zum Apartment gemütlich zurück.
Nach dem Hickhack ohne Internet kauften wir uns aber halt doch noch eine SIM-Karte. Eigentlich wollten wir dies nicht, aber das es in Restaurants teilweise kein Wi-Fi gab bzw. dass man in den öffentlichen WLAN-Spots eine türkische Telefonnummer braucht, hätte ich dann nicht gedacht. Am Montag spielte in der Süper Lig Başakşehir gegen Eyüpspor und ganz hatte ich die Hoffnung doch noch nicht aufgegeben unsere Passolig zu erhalten. Nun den İstanbul Başakşehir Futbol Kulübü muss man jetzt nicht wirklich gesehen haben. Im Jahr 2014 ging der Verein aus dem Istanbul Büyüksehir Belediyespor hervor, welcher wiederum aus dem Betriebsteam der Istanbuler Stadtverwaltung entstand. 2015 wurde der Vereinsname für vier Jahre mit der Krankenhauskette Medipol ergänzt. Weiter hat der Klub enge Kontakte zu Erdoğan persönlich und zur Regierungspartei AKP. Die Aussicht auf ein Erstligaspiel ließ uns doch versuchen unsere Fankarten am Stadion von Fenerbahçe abzuholen. So ging es montags früh das erste Mal rüber auf den asiatischen Teil Istanbuls. Am Stadion von Fener angekommen, wurden wir am Passolig-Schalter vorstellig. Auf die Bitte unsere zwei Fankarten zu erhalten, wurde meine Daten vom gelangweilten Mokel, welcher knapp vom Handy hochschaute, ins System eingegeben. Die Karte wären noch in Arbeit, so seine Auskunft. Ok? Ich erklärte, ich hätte sie vor über drei Wochen bestellt und auch bezahlt. Nach einem gelangweilten Kopfnicken, bekam ich die Antwort, ich bekäme eine SMS, sollte die Passolig abholbereit sein. Das kann zwei Monate dauern. Aha macht Sinn für Touris wie uns. Meine Abschlussfrage, ob Passolig ein Scheißsystem wäre, war eigentlich nur von rhetorischer Natur. Antwort: Schulterzucken. Abhaun, erstmal einen Çay trinken. Dann halt nicht zum Başakşehir FK. Gestört hat es mich jetzt nicht wirklich. Da wir uns nun schon auf der anatolische Seite Istanbuls, im Stadtteil Kadıköy befanden und dieser bekannt ist für seine Unterhaltungs-, Einkaufs-, Kunst- und Kulturangebote, blieben wir gleich hier und schlenderten durch die Çilek Sokak. Diese Straße ist bekannt für sogenannte Markenklamotten und die Mademoiselle konnte sich hier mal so richtig austoben. Ich hingegen tingelte gemütlich hinterher.
Die nächsten Tage gab es dann das volle Programm Kultur und was soll ich euch sagen. Diese Stadt ist der Wahnsinn. Jeden Tag ging es für uns früh raus und jeden Abend kamen wir mit qualmenden Socken zurück. Mittlerweile durften wir den Basement in Richtung zweites Stockwerk verlassen. Aber, was haben wir hier in dieser Metropole für Meter gemacht. Es gab viel zu sehen.
Ein klassisches Fotomotiv ist die Ortaköy-Moschee unterhalb der Bosporus-Brücke. Sie ist die älteste von drei Brücken über den Bosporus. Erbaut 1973. Nach diesen Fotospot ging es mit dem Bus 5 Kilometer in nördliche Richtung, um ihn an der Rumeli Hisarı zu verlassen. „Der Wächter am Bosporus“ wird diese Festung genannt. Erbaut über der engsten Stellen der Meerenge, spielte sie eine entscheidende Rolle bei der Eroberung von Konstantinopel im Jahr 1453. Lange verweilten wir aber nicht, da die Festungen auch gerade saniert wird und fuhren zurück ins Zentrum. Wir stürzten uns heute das erste Mal so richtig ins Getümmel im Viertel Eminönü unweit der großen Sehenswürdigkeiten. In unseren gedruckten Reiseführer, es lebe oldschool, stand geschrieben, es erwartet uns hier ein orientalisches Gewühl. Und ja, hier war ein hektisches Treiben an der Tagesordnung. Die Gassen und Gänge voller Menschen, ein Geschiebe, ein Gedränge. Die Eltern welche mit Kinderwägen hier rumeierten hatten meinen Respekt. Stellenweise musste man warten bis man weitergehen konnte, da einfach zu viele Leute unterwegs waren. Die Mademoiselle und ich waren uns einig darüber, dass der Umgang der Menschen hier in Istanbul, in den Touri-Zonen und in den besuchten Stadtteilen wie Pendik, Üsküdar, Kadıköy, Eminönü, Beşiktaş, Beyoğlu oder Yenikapi wo wir lecker Fisch essen waren, stets freundlich war. Natürlich muss man auch aufpassen, dass man nicht zu dreiste Preise bezahlt. Am besten, wenn mal in den Speise- oder Getränkekarten keine Preisangaben stehen, einfach im Voraus nachfragen. Dann merkt das Gegenüber schon, derjenige passt auf. In Pendik hatten wir mal, bei zwei Çay, nicht darauf geachtet und der Gauner Schrägstrich Kellner zockte uns ab. Meine patzige Antwort war sein Trinkgeld. Wenigstens bilde ich mir ein, dass dadurch die andere Gäste und auch seine Kollegen darauf aufmerksam wurden und er die unangenehmen Blicke nicht gut fand. Zurück ins Viertel Eminönü. Wir schauten am Abend auf dem Ägyptischen Basar vorbei und erwarben dort noch Datteln und getrocknete Früchte. Sau lecker.
(Der Kulturbeauftragte)
Eine neue Ausgabe des "Abhaun!" ist erschienen. Nach 11 Jahren geht die Abhaun-Reihe mit der 6. Ausgabe weiter. Ein Klick auf das Bild bringt euch zu den weiteren Informationen.
Hagia Sophia
Obelisk des Theodosius
Kaiser-Wilhelm-Brunnen
Sultan-Ahmed-Moschee
Kleine Hagia Sophia
ein Menemen an der kleinen Hagia Sophia
Yerebatan-Zisterne - Versunkener Palast